Am 1. Juli 2020 trafen sich 40 Vertreter:innen von Behörden, Politik, Wissenschaft, Sozialarbeit, Schule, Kulturschaffende aus unterschiedlichen Themengebieten (von Umwelt, Integration, Prävention über Kinder, Jugendliche, uvm.) zu unserem ersten Schnittstellentreffen in 2020.

Vielen Dank an all jene die dabei waren. Für alle die es verpasst haben, geben wir hier einen Einblick in das Besprochene.

Nach einer kurzen Begrüßung startete eine Vorstellung der Anwesenden. Die meisten Teilnehmer waren analog ins Chemnitzer Weltecho gekommen. Einige waren zudem digital hinzugeschaltet. Diese wurde durch inhaltliche Positionierung im Raum bzw. durch Umfragen in der Onlinevariante durchgeführt. Die Positionierung thematisierte Diversität und Digitalität in der eigenen Organisation. Des Weiteren lernten wir über Cluster in welchen Bereichen die Teilnehmenden tätig sind.

Danach stellte das Team von nun die neue Programmausrichtung vor. Das Programm arbeitet fortan zur Vielfaltsgestaltung und schreibt jährlich drei Kulturproduktionen aus, die alle zwei Jahre in internationale Festivals gebündelt werden. Dann wurde ein Impuls gegeben, wie wir Filterblasen verlassen können und welche Handlungsmöglichkeiten wir in unserem persönlichen Umfeld, unseren Organisationen für das Öffnen von Räumen, Denkansätzen und Sichtweisen haben.

Anschließend sprachen die Beteiligten in Kleingruppen über Narrative (Utopien, welche ungehört sind, über digitale und analoge Räume, über das Narrativ des Umbruchs, der Umbrüche). Diese wurden durch eine kurze Vorstellungsrunde anmoderiert und dauerten 30 Minuten. Am ersten Tisch haben wir nach Perspektiven geschaut, die in der lokalen Gesellschaft häufig übersehen werden. Wir haben gelernt, dass eine reichhaltige und organisierte Vielfalt über Vereine und zivilgesellschaftliche Akteure existiert. Gleichsam bestehen viele Hürden insbesondere für Menschen mit Migrationsgeschichte z.B. im Kulturbetrieb, die eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe und Perspektivenvielfalt behindern. Wer ihre Perspektiven wirklich annehmen möchte, muss sich zuerst selbst die Frage stellen: Wie macht man sich ansprechbar?

Weitere Kernfragen waren:

  • Werden nichteuropäische Perspektiven ausreichend wahrgenommen?
  • Sind Arbeitsmigrant:innen in die Stadtgesellschaft und städtische Kultur einbezogen?
  • Wie werden Menschen in der Jugendphase als mehr als Schüler:innen wahrgenommen?

Digital-Analog wie geht das zusammen? Das war die Frage in dieser Gruppe. Anscheinend sehr. Erkennen lässt sich das an vielen rechtspopulistischen Phänomenen, so auch in Chemnitz wo analoge Gruppen wie Fußball-Hooligans die rassistischen Mobilisierungen im analogen Raum, digital vorbereitet haben.

  • Gibt es im digitalen Raum viele polarisierende Stimmen, oder sind es  Einzelne und dann immer die gleichen die polarisieren?
  • Welche digitalen Verwerfungen werden von der Wissenschaft beobachtet?
  • Können wir als Institutionen oder als gesellschaftliche Rolle im digitalen Raum die gleiche Sichtbarkeit erlangen, wie als Person?
  • Wie können wir im digitalen Raum moderieren? Geht das überhaupt?
  • Sind die analogen Stadtanzeigermagazine immer noch die besten Infovermittler?
  • Wie können wir bei digitalen Themen bestimmte Zielgruppen nicht ausschließen?

Am nächsten Tisch geht es um Umbrüche. Als Ursachen werden Katastrophen, generationale Konflikte, technische Fortschritte, Neugierde, finanzielle Un/Möglichkeiten ausgemacht. Kurz ein Umbruch ist immer eine Veränderung, aber nicht jede Veränderung ist ein Umbruch. Denn Umbrüche bringen geplant sowie ungeplant nachhaltige Veränderungen mit sich.

Folgende Beispiele bennet die Gruppe für die Region:

  • die politische Wende 1989/90
  • Namensänderung der Stadt Chemnitz–Karl-Marx-Stadt–Chemnitz
  • die architektonischen Umbrüche im Plattenbaugebiet Fritz-Heckert
  • die Industrialisierung
  • die Vertragsarbeit
  • die Digitalisierung
  • das Aufkommen der digitalen Filterblasen
  • 2015 – Migration vs. Nationalismus
  • den Sommer 2018
  • Fridays for Future
  • Gender-Diversität
  • Corona

Die Teilnehmer:innen einer weiteren Runde, die sich zum Thema Europa und die Welt gesammelt haben, fassen ihr Diskussion wie folgt zusammen:

Was ist unser Standpunkt in der Welt? Welchen Raum geben wir der Welt in unserem Standpunkt?

Zusammenfassung von Prof. Dr. Ulrike Brummert:

_Verortung
Dialektisch, Segen und Fluch, der Mensch, in seiner Körperlichkeit, kann konkret und abstrakt ausschließlich von einem Standpunkt aus denken, sprechen, agieren. Es ist wichtig, ihn offen zu legen.
Im Übertragenen wird zuweilen so agiert, als gäbe es keine Verortung. Es ist wichtig, offen über den jeweiligen Stand_Ort zu sprechen. Er ist temporärer Fixpunkt, kann jederzeit verändert werden.
Er generiert die Perspektive. Im übertragenen Sinn kann man_frau verschiedene Stand_Punkte haben, die aus unterschiedlichen Perspektiven zu sich Widersprechendem kommen.
Multiperspektivität in der kubistischen, picassoschen Auffassung.

_Nation_Europa_Welt
Ohne direkten Bezug auf die Theoretiker wie Benedict Anderson, Ernest Gellner und Eric Hobsbawm zur Nation_Building ist das Fazit unserer Gruppe gewesen, dass dem Konzept Nation eine Hierarchisierung von Nationen innewohnt, eine angenommene Überlegenheit der eigenen Nation folgt, die in einem Automatismus zu Diskriminierung, Rassismus und in letzter Konsequenz zu Krieg führt.
Mit der Kolonialisierung ist dieses europäische Konzept der Moderne in die ganze Welt exportiert worden.

_Fazit
Wir sprechen uns nicht von Rassismus frei.
Wir fordern, sich mit aller Kraft für die Überwindung der mainstreamigen Nationalstaatlichkeit einzusetzen und die Koexistenz von Verschiedenartigkeit in allen Bereichen zu nachhaltig fördern. Utopien sollte man Ausprobieren, stellt die nächste Gruppe fest. Denn sie funktionieren als Auslöser für Neues und/oder als Ablöser vom Alten. Dabei entsteht Freude am Begegnen und Inklusion lässt sich leben. Für diese Prozesse sind Utopien wie Fixpunkte, mit denen viele Menschen erreicht werden können, wenn sie eine emotionale Beziehung zur Utopie aufbauen.  Es wird vorgeschlagen globale Utopien, lokal umzusetzen. Jugendliche erstellen Utopien automatisch, Kinder noch viel mehr, Erwachsene könnten sie erschaffen.

Folgende Utopien kamen den Beteiligten konkret in den Sinn:

  • aufeinander zugehen mit Freude
  • eine inklusive Welt schaffen
  • Vielfältige Meinungen zueinander bringen, nicht aufgesetzt, ohne Distanz begegnen
  • Kinder wieder mehr in die Gesellschaft einbinden
  • Anders sein dürfen und dafür geachtet werden
  • Gleichberechtigung unabhängig von Gender

Danke für alle konstruktiven Beiträge. Wer noch etwas zu ergänzen oder Fragen hat, kann sich an frauke.wetzel@asa-ff.de wenden. Das Schnittstellentreffen #02 wird voraussichtlich im September/ Oktober stattfinden.