Der zweitägige Workshop „Hidden Power of Theatre“ mit der tschechischen Theatermacherin Jana Svobodová fokussierte die Frage nach einer Theaterarbeit, die gemeinschaftsstiftend theaternahe und -ferne Menschen in einem Raum zusammenführt. Ausgehend von ihrer eigenen seit den 1990er Jahren sich aufbauenden dokumentarischen Theaterpraxis fand der Workshop mit den Fragen statt: Wie können real-life protagonists (Protagonist:innen des Alltags) in einen professionellen Theaterbetrieb eingebunden werden und wie können Theaterschaffende verantwortungsvoll mit den Geschichten der Laien umgehen?
Teilnehmende waren Akteur:innen aus der Chemnitzer Theaterszene: Performer:innen aus der freien Szene, Menschen des Chemnitzer Stadttheaters. Ergänzt wurden sie durch das nun-Team.
In einer einleitenden Präsentation zeichnete die Theatermacherin ihren Weg zu ihrer dokumentarischen Theaterpraxis nach. Durch Zufälle geleitet begann sie in den 1990er Jahren, Laien (u.a. in der Zusammenarbeit mit einem Geflüchtetencamp in der Tschechischen Republik) in ihre Theaterarbeit mit einzubinden. Die leitende Idee dabei war: Zuschauer:innen sollten bei der Aufführung nicht erkennen, welche Personen aus dem Camp und welche professionelle Performer:innen waren. In weiteren Beispielen erörterte sie ihren Arbeitsprozess. Die Arbeitsprozesse von Svobodová beginnen meist ohne konkretes Thema, aber mit einer bestimmten Gruppe von Menschen. Dabei steht die Suche nach dem „common ground“ der Beteiligten im Zentrum. Theater diene ihr in der Arbeit mit Protagonist:innen des Alltags als Tool, um Communities und ihre marginalisierten Themen ins Zentrum zu rücken. Die Protagonist:innen des Alltags stehen in Jana Svobodovás Stücken mit ihrer persönlichen Lebensgeschichte auf der Bühne und führen sie durch das Verhandeln im Bühnenraum in eine gesellschaftliche, öffentliche Aushandlung ein. Dieses Changieren zwischen Individuellem und Kollektivem und die damit einhergehende Verantwortung übertrug Svobodová in ihrem Workshop in praktische Raumübungen. Mit der so genannten View-Eye-Methode übten die Teilnehmenden, einen 180 Grad-Blick im Raum einzunehmen, klare Entscheidungen über ihre Bewegungen zu treffen und dabei die Menschen und die Architektur um sie herum im Blick und der Wahrnehmung zu behalten und auf sie zu reagieren.
Wie sensibel der Umgang mit der Lebensgeschichte einer anderen Person vor Publikum und im Bühnenraum ist, wurde am zweiten Tag praktisch erprobt. In der letzen Übung war das aktive und aufmerksame Zuhören der erzählten Lebensgeschichte zentral. In Zweiergruppen erzählten sich Teilnehmende bedeutsame Momente aus ihrer Vergangenheit und fassten anschließend die Geschichte der anderen Person in der Ich-Perspektive zusammen.
Die Reflexion jeder Übung stellte ein wiederholendes Element im Workshop dar. Immer wieder waren die Teilnehmenden aufgefordert, ihre Position im Raum in Bezug auf die Gruppe zu reflektieren. Der sensible Umgang, Empathie und Reflexion von Übungen wie auch der eigenen Arbeit, Perspektive und Position stellen Kernthemen im Arbeiten zwischen Theaterschaffenden und Protagonist:innen des Alltags dar und müssen, so scheint es nach dem Workshop, in jedem neuen Prozess, im situierten Raum, zwischen den Anwesenden ausgehandelt werden.
Fotos: Isabell Scheithauer